Aus Gunslebens Sportgeschehen
Im auf Vereinsebene organisierten Sport kann Gunsleben auf gegenwärtig (2018) vier Sportvereine zurückblicken. Es sind dies der Männer-Turn-Verein (MTV) Gunsleben, die Zentrale Sport-Gemeinschaft ZSG Gunsleben/Wackersleben, die Sport-Gemeinschaft SG "Philipp Müller" Gunsleben und der Sport-Verein SV 1960 Gunsleben. Letzterer hieß zuvor Sport-Gemeinschaft SG 1960 Gunsleben.
Es sollte lange dauern, ehe nach dem opferreichen 2. Weltkrieg das örtliche Interesse am organisierten Sport wieder erwachte. Zu Beginn der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war es ein aus
Magdeburg evakuiertes Ehepaar namens Schulze-Entrup, das das Sportgeschehen wieder erweckte. Während der männliche Ehepart sich der Entwicklung des Fußballsports widmete, kümmerte sich
Sportfreundin Schulze-Entrup um den Damen-Handball-Sport. Beide beließ en es nicht nur bei der Organisation, sondern trainierten mit Fleiß und Ausdauer die sportbegeisterten Jugendlichen
beiderlei Gesehlechts. So verfügte Gunsleben sowohl über eine Fußball-Mannschaft (Herren) als auch über eine Handball-Mannschaft (Damen). Beide Teams beschränkten sich keinesfalls nur auf das
Training, sondern nahmen auch am Wettkampfbetrieb teil. Die Fußballmannschaft wurde in die 1. Kreisklasse eingegliedert, die gegnerischen Mannschaften lagen mehrheitlich im Gebiet des damaligen
Kreis Halberstadt und heutigem Harzkreis. Nördlichster Gegner im Landkreis Oschersleben war Ottleben, weitere Orte wie z.B. Wackersleben gehörten damals zum Kreis Haldensleben.
Diese Situation änderte sich erst 1952 mit der 1. Gebietsreform in der DDR. Während einige Gemeinden an den Kreis Halberstadt abgegeben wurden, kamen viele Dörfer im Norden bis hinauf nach Harbke und Marienborn aus dem Kreis Haldensleben hinzu. So waren Aderstedt, Schlanstedt, Anderbeck, Wegeleben, Harsleben, Rodersdorf u.a. Gegner der ZSG Gunsleben/Wackersleben. Dass Sportfreunde aus Wackersleben in Gunslebener Mannschaften mitwirkten, mag daran gelegen haben, dass anfangs der Spielbetrieb im Kreis Haldensleben später aufgenommen wurde. So schnürten dann aus dem Nachbarort Wackersleben Kurt (Kuddel) Herbst, Ernst (Ernstchen) Herbst, (Steppke) Düsing, Werner (Werni) Holz, Erwin Baumgart, Heinrich (Heini) Sternberg die Töppen für die ZSG Gunsleben/Wackersleben. Der überwiegende Teil der Fußballer kam allerdings aus Gunsleben. Es waren dies Hans Rahn, Werner (Luffi) Bögelsack, Heinrich (Stabile) Hinze, genannt Eggert, Josef (Josel) Pollok, Peter (Penno) Günther, Erich Schünemann, Fritz Förster, Richard Werth, Rolf (Rolli) Ahrens, Hans (Hänschen) Kanefeyer, Günter (Nunno) Topka Gerd (Gerdchen) Jakobs, Joachim (Setti, Prinz) Roland, Werner Kupzock, Herbert Güttler, Walter Kasper.
Von den genannten Spielern waren Hans (Hannes) Rahn, Peter Günther, und der damals noch Jugendliche Joachim Roland technisch überaus versierte Spieler, Heini Hinze (Stabile) ein eisenharter
Verteidiger, Fritz Förster ein begnadeter und fangsicherer Torwart, Josel Pollok und Herbert Güttler rasante Flügelstürmer. Werner Kupzock verließ die ZSG in Richtung Schlanstedt und schloss sich
später der BSG Empor Wurzen (2. DDR-Liga) an.
Wegzüge, Überalterung, abnehmedes Interesse und nicht zuletzt die Bildung einer Sektion Fußball in Wackersleben bewirkten gravierende Veränderungen im Kader der ZSG. So verwundert es nicht, dass
die Sportfreunde aus Wackersleben sich der Sektion FuBball der dort gegründeten BSG Traktor anschlossen, was das Ende der ZSG Gunsleben/Wackersleben bedeutete. Zeitgleich verließ das Ehepaar
Schulze-Entrup Gunsleben. Neue Leitungskader und Betreuer mussten gewonnen, jüngere Spieler bzw. Spielerinnen in die Mannschaften eingebaut werden,
Gunsleber (Feld)-Handballdamen Anfang der 1950er Jahre: Hilde Laubusch, Elvira Armbrüster, Erika Roloff, Lisa Strebe und Leni Schulze-Entrup (hinten v.li.), Marianna Otremba, Gerda Eckhoff und Gisela Kroll (mitte v.li.), Christel Junge, Hilde Anders und Margot Bassüner.
Bis zum Eintritt dieser Situation hatte sich auch die Damen-Handballmannschaft einen Namen gemacht. Zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit durchaus wechselndem Ertolg vertraten die Farben
Gunslebens Christa Gäbel, Erika Gäbel, Erika Roloff, Gerda Eckhoff, Brigitte Schrader, Sigrun Heene, Margot Fredrich, Gerda Fredrich, Hilde Laubusch, Marianne Otremba, Margot Bassüner, Hilde
Anders, Lisa Strebe, Elvira Armbrüster, Christel Junge, Gisela Kroll. Dazu kamen aus Aderstedt Inge Adomeit und aus Wackersleben Inge Lehmann. Die Auflistung der Spielerinnen erfolgte mit ihren
Geburtsnamen. Aus dem Spielerinnenkreis ragten insbesondere hervor Christa Gäbel als technisch sehr versierte und frühzeitig den Sprungwurf beherrschende Handballerin, die wurfgewaltige Erika
Roloff, die körperlich große Inge Lehmann und die Ruhe ausstrahlende Torfrau Hilde Anders. Einsatzfreude und Zuverlässigkeit waren Merkmale der weiteren Spielerinnen, aber alle ordneten sich
unter die Interessen der Mannschaft ein.
Es gelang, trotz der sich abzeichnenden Auflösung der ZSG Gunsleben/Wackersleben und des Wegzugs der rührigen Trainerin Frau Schulze-Entrup, den Spielerinnen-Stamn zusammenzuhalten. Fortan
verkörperte Walter Gäbel Trainer und Betreuer in einer Person. So konnte das Handball erinnen-Team relativ problemlos in die Folge-Sportgemeinschaft "Philipp Müller" Gunsleben eingegliedert
werden . Außerdem kompensierten die Neuzugänge jüingerer Spielerinnen den Abgang weniger Älterer.
Gründung der SG Philipp Müller Gunsleben
Der erklärbaren Auflösung der ZSG folgte die Neugründung des Sportvereins Nummer drei in Gunsleben unter dem Namen "SG Philipp Müller Gunsleben". Dieser Neuaufbau ist insbesondere das Verdienst der vereint handelnden Sportfunktionäre Fritz und Otto Schünemann. Beide konnten sich der Unterstützung der heimatlichen LPG "Philipp Müller und des Rates der Gemeinde sicher sein. Den Namen "Philipp Müller" verdanken LPG und Sportgemeinschaft einem westdeutschen Jugendlichen, der bei einer ausgearteten Protestdemonstration gegen die frühzeitige Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland in Essen von der Polizei erschossen wurde. Dieses Vorkommnis wurde von der DDR-Presse zum Anlass genommen, die BRD als kriegslüstern und die DDR als Hort des Friedens darzustellen. Um den Namen des Erschossenen zu ehren und im Gedächtnis zu behalten, erhielten in der DDR zahlreiche Betriebe, Brigaden und Organisationen seinen Namen. Zu diesen Organisationen gehörte eben auch die neugegründete Sportgemeinschaft. Ihr Träger wurde die gleichnamige LPG. Warum nicht der sonst übliche von LPG'n unterstützte Name "BSG“ (Betriebs-Sportgemeinschaft) Traktor gewählt wurde, bleibt rätselhaft.
Fußball, Handball und Schach
Die SG "Phiipp Müller" bot Fußballern, Handballerinnen und Schachspielern die Möglichkeit der Sportausübung. Die SG-Leitung stand vor der schwierigen Aufgabe, insbesondere die Sektion Fußball zu
aktivieren, Von der einstigen Stamm-Mannschaft hatten einige Spiel er aus unterschiedlichen Gründen die Töppen an den Nagel gehängt. In einem Falle sorgte die fußballfeindliche Gattin dafür, dass
ihr fußballbegeisterter Ehemann das Fußballspielen einstellte. Wesentlicher war allerdings, dass gleich mehrere Spieler die DDR in Richtung Westdeutschland still und leise ohne
Ausreisegenehmigung verlassen hatten.
Das betraf Fritz Förster, Hans Kanefeyer, Günter Topka und Gerd Jakobs. Aus der inzwischen herangewachsenen Dorfjugend konnten folgende Jungen zur Vervollständigung der Fußball-Mannschaft
gewonnen werden: Manfred Horneffer, Johann (Sohne) Eckhoff, Hans (Hannek) Meier, Willi Deneke, Karl-Heinz (Ali) Schmidt, Werner Fredrich, Horst Roloff, Oswald Slotta, Werner Barbe, Gerhard (Zorn)
Bosse, Willi Baesler, Anton Mühlbauer, Gottfried Türke, Günter Schüler, Erhard Otremba, Herhold Wendland, Walter Gäbel, Joachim Junge übernommen bzw. weiter spielten Herbert Güttler, Joachim
Roland und Günter Ehrhard, genannt Bickus. Letzterer gab einen auf Selbstdarstellung bedachten Torwart ab, der mit spektakulären Flugparaden, oft gar nicht nötig, Eindruck schindete, anderseits
aber manch harmlosen Kullerball passieren ließ. Zum wirklich überzeugenden Fußballer reifte Karl-Heinz Schmidt, der später Traktor Wackersleben verstärkte. Illegal verließ mit seinem Vater Johann
Eckhoff Gunsleben via Bundesrepublik. Als langjähriger Betreuer der Fußball-Mannschaft wirkte Otto Barbe.
Schlechte Rahmenbedingungen
Die Damen-Handball-Mannschaft, auf dem Kleinfeld spielend, konnte wieder aktiviert werden. Altersbedingt schieden Hilde Anders und Inge Lehmann aus, jüngere Spielerinnen rückten nach. Zum langjährigen Betreuer wurde wie gehabt Walter Gäbel. Sowohl für die Fußballer als auch für die Handballerinnen waren die Rahmenbedingungen auf dem 1 Km vom Dorf entfernten Sportplatz alles andere als ideal. Weder für die Heimmannschaft noch für das Gästeteam gab es Umkleidemöglichkeiten. Auch die Schiedsrichterstanden bei Wind und Wetter buchstäblich in Regen. Daher ergriffen die Sportler die Initiative und errichtet en in freiwilligen Aufbaustunden ein mehrräumiges Umkleidehäuschen, das allerdings niemals ganz fertig wurde. So fehlten Wasser- und Stromanschluss. Nach dem Niedergang der SG "Philipp Müller" verfiel der Bau. Heute bzw. zum Zeitpunkt der Wende gibt/gab es ihn nicht mehr.
Pokalsieg in Wulferstedt
Die Elf beteiligte sich in der 2. Kreisklasse am Punktspielbetrieb, ohne die Spielstärke der ZSG Gunsleben/Wackersleben zu erreichen. Auch zu Pokalturnieren wurden die Fußballer der SG "Philipp Müller" eingeladen, Überliefert ist der Sieg in einem derartigen Pokalturnier, das von der BSG Traktor Wulferstedt ausgerichtet wurde. Teilnehmer waren Traktor Wulferstedt I, Traktor Wulferstedt II, Traktor Groß Germersleben, Traktor Barneberg und die SG "Philipp Müller" Gunsleben. Nach nur elner Niederlage gegen Traktor Wulferstedt I (0:1) und Siegen über Traktor Barneberg (2:1), Traktor Wulferstedt 11 (3:1) und Traktor Groß Germersleben (1:0) wurden die Gunslebener Fußballer Turniersieger. Den Sieg errangen Herbert Güttler, Willi Deneke, Karl-Heinz Schmidt, Walter Gäbel, Oswald Slotta, Werner Barbe, Gerhard Bosse, Willi Baesler, Joachim Roland und Günter Schüler. Wie zumeist wurde die Mannschaft von Otto Barbe betreut. Leider liegen weitere Ergebnisse von Meisterschafts- und Pokalspielen nicht vor.
Wesentlich günstiger waren die Spielbedingung en für die Schachspieler, die in einem Raum der Gaststätte Junge vor allem Ruhe fanden. Die LPG spendierte Schachbretter, Schachfiguren und Schachuhren. Leider konnten nicht mehr als vier Spieler für den Schachsport begeistert werden. So spielten nur Otto Bach, Erich Japke, Günter Meier und Dietmer Buchholz ihre Partien. Als stärkster Spieler beherrschte der Rentner und Veteran Otto Bach sein Metier, gefolgt vom bedächtig spielenden Erich Japke. Die jüngeren Spieler Dietmar Buchholz und Günter Meier hielten sich hinsichtlich der Spielstärke in etwa die Waage, sie konnten die Senioren Bach und Japke nicht gefährden.
Ende der SG "Philipp Müller"
Die SG "Philipp Müller" sollte nur bis Ende 1959, Anfang 1960 bestehen. Zu ihren Pluspunkten zählte allerdings vor ihrem Ende ein gut besuchtes Forum, zu dem die SCM-Handballer Wolfgang Lakenmacher und Günter Dreibrodt eingeladen worden waren, beide Nationalspieler der DDR. Rede und Antwort stehend, ließen sich abschließend die Spieler des Sportclubs Magdeburg das gemeinsame Essen mit Hausgeachlachtetem schmecken, bevor sie die Heimrelse antraten.
In der SG "Philipp Müller" waren Wegzüge, Überalterung, "Republikflucht", nachlassendes Interesse, aber auch mangelnde Nachwuchsarbeit und oftmalige Schwierigkeiten bei den Mannschaftsaufstellungen zu den Punktspielen die Ursachen für einen schleichenden Niedergang der Sportgemeinschaft, der schließlich im Zurückziehen aller Mannschaften vom Wettspielbetrieb seinen Höhepunkt fand.
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