Eisenbahnverkehr auf der Strecke nach Gunsleben eingestellt
Echte Wehmut bei den letzten Zugfahrten
Von Heinz Ruhnke (Volksstimme, Juni 1992)
Gunsleben. Am vergangenen Sonnabend, den 30. Mai 1992, hob die Aufsicht auf dem Bahnhof Oschersleben um 18.18 Uhr zum letzten Mal die rote Kelle, um dem Personenzug in Richtung Neuwegersleben/Gunsleben die Abfahrt anzuzeigen. Eine Diesellok und ein Personenzugwagen, schon lange der Rest eines einst stattlichen Wagentraktes, rollten wie immer langsam und bedächtig aus der Kreisstadt in das Große Bruch hinaus.Soviel Reisend wie lange nicht mehr, waren jedoch zur vorletzten Fahrt am Sonnabend Mittag . erschienen. Die Eisenbahner hatten nämlich eine Dampflok der 50er Baureihe vorgespannt.
In Neuwegersleben stiegen weitere Fahrgäste zu, und in Gunsleben erwarteten
bereits eine Menge Fotografen diesen ungewöhnlich besetzten Personenzug.
Auch an der letzten Fahrt am Sonnabend Abend haben Oscherslebener Bürger und viele junge Leute aus Neuwegersleben teilgenommen. Da "schmückte" die Diesellok mit
Lokführer Meißner der wahre und sinnige Spruch "Schiene ade - Straße o weh!"
Die Eisenbahnstrecke, schon seit Jahrzehnten in immer größeren Abschnitten
mit Langsamfahrstellen versehen, wurde zu einer Geduldsprobe für die Reisenden und für das Personal. An manchen Stellen ging es nur noch mit 10 Stundenkilometer voran.
Und das witzige Wort vom Blumenpflücken während der Fahrt, es war schon fast Realität.
Die Fahrtzeit wurde immer länger, Fahrgäste immer weniger. Ganze 134 DM hatte Helmut Schlegel an der Fahrkartenausgabe in Gunsleben im vergangenen Monat gerade noch
eingenommen.
Ein wenig Hoffnung kam auf, als nach der Wende eine Fahrraddemonstration nach Jerxheim und weitere Aktivitäten für den Erhalt dieser Strecke und ihren Ausbau
erfolgten. Doch Reichsbahn und Bundesbahn fanden bisher keine Wege, um sich auf dem besagten Schienenstrang zusammenzufinden und zu vereinen. Und so torkelte der Rest eines Zügleins am 30. Mai
1992 letztmalig durch das Große Bruch.Die Signale der Lok vor den unbeschrankten Bahnübergängen langen fast wehmütig, hallten wie immer in der weiten
Landschaft nach.
Mit Wehmut denken viele Einwohner der Orte an der Bahnstrecke an den Wegfall
der vertrauten Signale des Zuges. Dazu kommen für die Gunslebener nach der Schließung der Strecke auch das Aus des Dorfkonsums und der Poststelle. Viele sehen außerdem mit unguten Gefühlen auf
das künftige zentrale Klärwerk hinter Gunsleben in Richtung Wackersleben.
Es war einmal
Der 150. Geburtstag der Eisenbahnstrecke im nächsten Jahr jedenfalls ist nicht mehr zu feiern. Mit Wehmut denken viele Eisenbahner und Bürger daran, dass wieder
einmal die Straße die Schiene besiegt hat. Die vielen Fahrgäste und Besucher zu den letzten Fahrten haben sich längst verlaufen, die Bahnhöfe in Gunsleben und Neuwegersleben sind geschlossen. Es
wird noch stiller werden im Großen Bruch.
Gunslebener Eisenbahngeschichte