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Gunsleber Landfrauen fertigen allerletzte Erntekrone

Die Gunsleber Landfrauen haben zum allerletzten Mal in ihrer Geschichte Weizen für eine Erntekrone geschnitten. Weil kein Nachwuchs da ist, können sie die Arbeit nicht mehr ohne Weiteres bewältigen. Damit geht ein lang gehegtes Brauchtum zu Ende.

 

Von Julia Angelov (Volksstimme 25.07.2011)
Gunsleben. "Wir können einfach nicht mehr. Wir sind einfach zu wenige Mitglieder, und die Arbeit bleibt immer wieder an den gleichen Leuten hängen", sagt Irmgard Heine. Die Vorsitzende der Gunsleber Landfrauen steht auf dem Feld zwischen Gunsleben und Wackersleben und schneidet mit einer Sichel Weizen, den sie auf einen großen Haufen in einem Bollerwagen legt. "Das ist für unsere allerletzte Erntekrone bestimmt."

 

Damit geht eine lange Tradition zu Ende. Manchmal fertigten die Damen vier Erntekronen in einem Jahr. Das Kunstwerk, das am Ende steht, bedeutet einen unglaublichen Aufwand. Manches Mal besteht eine Krone aus 1500 kleinen einzelnen Sträußchen. In jedem sind acht Weizenären und jeweils eine Roggen-, eine Hafer- und eine Gerstenäre miteinander verbunden. Am Ende steht eine Erntekrone, die aus vier Streben besteht, die für die einzelnen Jahreszeiten stehen.
"Unsere Erntekronen standen schon im Landeswirtschaftsministerium, in der Kreisverwaltung und sogar im Dom in Magdeburg", sagt Irmgard Heine stolz. "Aber der Aufwand ist zu groß geworden und wir werden immer weniger." In kurzem Zeitabstand verstarben drei Landfrauen, sodass es nun nur noch neun aktive Mitglieder sind.

 

Vor genau 15 Jahren, am 19. Juni 1996, haben sich die Landfrauen gegründet. Sie fertigen nicht nur Erntekronen, sondern gehen auch in Schulen und vermitteln jungen Leuten Wissen über das Leben in der Region, über die Arbeit in der Landwirtschaft. "Alle, die hier leben, können bei uns eintreten", erklärt Irmgard Heine. Und damit spricht sie auch schon den Grund dafür an, dass diese Ären für die letzte Erntekrone bestimmt sind. Neue Mitglieder haben den Weg schon lange nicht mehr zu den Gunslebern gefunden. "Junge Damen haben oftmals nicht die Zeit oder die Lust, mit aufs Feld zu kommen oder das kulturelle Leben aufzumischen", erklärt sich Irmgard Heine das Nachwuchsproblem.

 

Dabei setzen sich die Landfrauen für viele Projekte ein. So üben sie jedes Jahr zu Weihnachten mit Kindern ein Krippenspiel ein. Sie haben mit Hilfe der Sparkassenstiftung die Kirche in Gunsleben instand halten können. "14 Jahre lang hat die Kirchenuhr nicht geschlagen, bis wir uns dafür eingesetzt haben, dass das Uhrwerk wieder repariert wird." Jetzt tickt die Uhr wieder. Weil die Landfrauen sich so aktiv für die Region einsetzen, ist zum letzten Weizenschneiden auch die CDU-Landtagsabgeordnete Gabriele Brakebusch aus Harbke, Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, gekommen. "Ich wollte schon lange einmal dabei sein, wenn eine Erntekrone entsteht", verrät sie. "Und als ich jetzt erfahren habe, dass es die letzte sein soll, musste ich unbedingt herkommen."

 

Auch Gabriele Brakebusch findet es schade, dass das Brauchtum bald nicht mehr fortgesetzt wird. In den folgenden Wochen möchte sie noch öfter dazu kommen, wenn Irmgard Heine, Margarete Wartmann, Heidemarie Roloff und die restlichen Mitglieder aus einzelnen Ären ein erstaunliches Kunstwerk zusammenfügen. "Wem wir die Erntekronen geben, wissen wir schon", erklärt Irmgard Heine. "Aber das bleibt vorerst noch unser Geheimnis. Es soll eine Überraschung werden." Einen Trost gibt es aber für die Landfrauen aus Gunsleben. So werden sie bald die Oschersleber Matthias- Claudius-Haus-Stiftung unterstützen, die den behinderten Bewohnern zeigen möchte, wie eine Erntekrone entsteht. "Das finden wir wunderbar", so Irmgard Heine.

Die Landfrauen Margarete Wartmann, Heidemarie Roloff, die CDU-Landtagsabgeordnete Gabriele Brakebusch und Landfrauen-Vorsitzende Irmgard Heine (von links) haben das letzte Mal Weizenähren geerntet.
Die Landfrauen Margarete Wartmann, Heidemarie Roloff, die CDU-Landtagsabgeordnete Gabriele Brakebusch und Landfrauen-Vorsitzende Irmgard Heine (von links) haben das letzte Mal Weizenähren geerntet.

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