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Gutes Trinkwasser, aber die Kehrseite....
Von Heinz Ruhnke (Volksstimme, Mai 1992)
Gunsleben. Die Gemeinde Gunsleben wurde am 5. Juni 1992 an die zentrale Trinkwasserversorgung angeschlossen. Dass nur ganze vier Personen beim symbolischen Aufdrehen des Wasserhahnes zugegen waren, mag zufällig gewesen sein. Darin kann sich aber auch eine immense Bürgerverärgerung äußern, die eben mit jenem Trinkwasserleitungsbau im Zusammenhang steht und sozusagen die Kehrseite der Medaille verkörpert. Diese wurde nicht nur durch die Höhe der Anschlussgebühr von 3 000 DM pro Grundstück ausgelöst, sondern auch die Art und Weise ihres Zustandekommens. Herr Spatzker aus Magdeburg findet dazu in einem Beitrag des Oschersleber Tageblatts die Höhe dieser Anschlussgebühr für gerechtfertigt und setzt sie einfach in Relation zur Gesamthöhe des von der Gemeinde Gunsleben für den Wasserleitungsbau aufgenommenenen Kredits von zirka 1,2 Millionen DM. Was aber im Bericht nicht zum Ausdruck kommt, ist die katastrophale wirtschaftliche Lage Gunslebens. Immerhin sind von gegenwärtig 338 Einwohnern zirka 50 Prozent Altersrentner und Vorruheständler, die Arbeitslosenquote liegt bei annähernd 30 Prozent.
Darum wäre es in Kenntnis dieser Situation mehr als angebracht gewesen, seitens der verantwortlichen Kommunalpolitiker unbedingt sozialpolitsches Fingerspitzengefühl zu beweisen. Schließlich war vorauszusehen, dass mit dem durchaus begrüßenswerten Anschluss Gunslebens an das Trinkwasserversorgungsnetz für jeden einzelnen Bewohner - gleich ob Grundstückseigentümer oder Mieter - auch finanzielle Belastungen entstehen würden. Diese hätten auf einer vorbereitenden Einwohnerversammlung dargelegt, geklärt und begründet werden können. Sicherlich wäre es auch zweckmäßig gewesen, wenn die verantwortlichen Stellen Fördermittel vom Bund oder vom Land beantragt hätten, wie es zum Beispiel der Bürgermeister von Wackersleben für seine Gemeinde tat, um ein gleichartiges Bauvorhaben zu finanzieren und die finanziellen Belastungen so gering wie möglich zu halten.
Im stillen Kämmerlein
Ein derartiger Antrag hätte zum damaligen Zeitpunkt im Kompetenzbereich der Gemeindevertretung und Leitung von Michael Koch, seinerzeit noch Bürgermeister von Gunsleben, gelegen. Jedoch nichts dergleichen geschah! Unter Ausschluß der Öffentlichkeit beschloss die Gemeindevertretung, nun von Fritz Uehr als Bürgermeister geführt, einer Anschlussgebühr zwischen 2 000 und 3 000 DM pro Grundstück zuzustimmen, die später auf 3 000 DM fixiert wurde. Ausnahmen für eine Halbierung dieser Summe wurden genehmigt.
Dieser Beschluss der Gemeindevertretung hatte Folgen, legte er doch unwiderruflich fest, dass die Anschlussgebühr in der veranlagten Höhe unter Zugrundelegung einer Wasserabnahmepflicht im Interesse des Gemeinwohls zu entrichten sei.
Aufgebrachte Bürger
Als dann im April die Gemeindevertretung turnusgemäß tagte, fanden sich 78 aufgebrachte Bürger Gunslebens ein, um entsprechend der veröffentlichten Tagesordnung von ihrem Recht Gebrauch zu machen, Fragen und Anträge an die Volksvertreter zu stellten. Sicher, in der Erregung waren nicht alle Beiträge sachlich, aber der aufgestaute Unmut der Bürger entlud sich vehement und durchaus verständlich. Erwirkt wurde ein Zahlungsaufschub bis zum 1. Juni 1992 und die Möglichkeit, den Betrag von 3 000 DM je nach finanziellen Möglichkeiten auf Antrag ratenweise bezahlen zu können.
Im Gefolge dieser Gemeindevertretersitzung kam es auf Initiative von Günter Meier (CDU) zu einer erneuten und wieder gut besuchten Einwohnerversammlung, auf der sich die Herren Werner (CDU-Landtagsabgeordneter), Walker (CDU-Kreisvorstand Oschersleben) und Hohmann (Landratsamt Oschersleben) vom Unmut der Bürger, nicht ausschließlich die Kostenhöhe betreffend, überzeugen konnten.Geholfen hat auch diese Versammlung nicht mehr.
So viele Fragen
So blieb trotz des an sich erfreulichen Anschlusses Gunslebens an die 'Trinkwasserversorgung nicht nur ein schaler Beigeschmack, sondern auch ein Komplex unbeantworteter Bürgerfragen.
Er resultiert aus dem Gehabe jener verantwortlichen Kommunalpolitiker, die nicht alle Möglichkeiten hinsichtlich einer günstigeren Finanzierung ausschöpften und infolge gravierender Verfahrensfehler sich den Unmut der Bürger zuzogen und deren Vertrauen teilweise leichtfertig verspielten.
Was ist geblieben?
Geblieben sind für alle Bürger Gunslebens hohe finanzielle Belastungen, die vor allem ältere und alleinstehende Bürger zur Kreditaufnahme zwangen, um die Anschlussgebühren, die im Landkreis Oschersleben in ihrer Höhe einsames Spitzenniveau verkörpern, überhaupt bezahlen zu können.
Geblieben ist die Furcht vor weiteren finanziellen Belastungen, die aus dem Bau der Abwas-serentsorgung, hier in etwa 3 500 DM pro Grundstück, und der Sanierung des Straßennetzes, mit 60 bis 80 prozentiger Kostenumlage auf die Bürger, resultieren werden.
Geblieben ist auch das allgemeine Zaudern, im Zuge der Dorferneuerung öffentliche Mittel, im günstigsten Fall bis zu 50 Prozent der Kosten, für Verschönerungen beziehungsweise Renovierung der Grundstücke und damit des Ortsbildes in Anspruch zu nehmen. Diese Mittel wurden angesichts weiterer zu erwartender Belastungen von den Hauseigentümern im laufenden Jahr kaum genutzt.
Damit wird die Dorferneuerung zur Farce. Außerdem schließen Konsum und Post.
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