Häusergeschichten

 

Von Dietmar Buchholz

Das Ortsbild einer Gemeinde wird bestimmt durch Häuser, Straßen, Denkmäler, Grünanlagen, Vor- und Hausgärten, geschützten Bäumen u.a. Gestaltungselementen. In seiner Gesamtheit ist das Ortsbild nicht statisch, sondern unterliegt ständigen Veränderungen. Es ist das Ergebnis einer langfristigen historischen Entwicklung. Nachfolgend stehen die Häuser Gunslebens im Mittelpunkt der Betrachtung.

 

Vom Fachwerk- zum Massivhausbau

Häuser bilden die Unterkunft, das "Zuhause", der- oder des denjenigen, der/die es errichtet haben. Sie sind gekennzeichnet durch den Bau, seinen Erhalt, die Nutzung, durch Um- und Erweiterungsbauten, eventuellem Leerstand mit nachfolgendem Verfall und abschließenden Abriss. Außerdem geben sie Auskunft über den vorherrschenden Baustil, dessen Veränderungen. Über Möglichkeiten und Voraussetzungen einer Modernisierung, über die soziale Stellung des Bauherren innerhalb der Dorfgemeinschaft und seine finanzielle Situation. die letztlich in der äußeren Gestaltung des errichteten Hauses zum Ausdruck kommt.

In Gunsleben vollzog sich wie in den anderen Bördedörfern die Entwicklung vom traditionellen Fachwerkbau zum vielgestaltigen Massivhausbau einschließlich der Neubauten. Nachfolgend werden als Neubauten jene Häuser betrachtet, die nach dem Ende des 2. Weltkrieges errichtet wurden. Diese Abgrenzung erscheint als notwendig, weil letztlich jeder Hausbau ein Neubau ist.

 

 

Sozialer Status und finanzielle Möglichkeiten

Eine Sonderstellung nehmen sozialer Status und finanzielle Möglichkeiten des/der Bauherren innerhalb der Einwohnerschaft ein, desgleichen verfolgte Absichten und Ziele. So verfolgte Graf Maximilian Asche von der Asseburg mit dem villenartigen Anbau im neugotischen Stil, den spitz behelmten Rundtürmen den überdimensionierten Fenstern, dem großzügig verglasten Wintergarten u.a. Auffälligkeiten die Sichtbarmachung seiner adligen Herkunft und seines Reichtums. Die Üppigkeit und Großzügigkeit dieses Anbaus verdeutlichen darüber hinaus seinen Hang zur Pracht und zum Pomp. Gleichzeitig kommt in diesem Anbau, der erst im Jahre seines Todes fertiggestellt wurde, auch seine finanzielle Überlegenheit gegenüber anderen Bauherren zum Ausdruck, die selbst seinen verschuldeten Großvater Christoph Werner von der Asseburg übertraf, der sich mit einem einfach gestalteten Fachwerkbau mit Mansardendach als Herrenhaus zufrieden geben musste.

 

 

"Rübenburgen" bekunden Reichtum

Gleiche Ziele verfolgten auch die durch Zuckerrübenanbau und Aktienerwerb wohlhabend gewordenen Bauern mit größerer landwirtschaftlicher Nutzfläche. Auch sie beabsichtigten durch großzügig gestaltete Wohn- und Wirtschaftsbauten ihren Reichtum zu bekunden. Das Ergebnis waren jene Prunk- und Protzbauten, die als "Rübenburgen" in die Ortsgeschichte eingingen und sich architektonisch nicht immer befriedigend in das Ortsbild einordnen lassen. Das trifft in Gunsleben für die Wohnhäuser der Bauern W. Strube, K. Wrede, O. Günther und R. Heine zu, die sich auffällig von den Wohnhäusern anderer Einwohner unterscheiden. Entsprechend bescheidener waren die Domizile jener Bauern, die über eine kleinere Wirtschaftsfläche verfügten. Diese Betrachtungsweise ließe sich über die Kleinbauern der Groß- und Kleinkossaten mit ihren oft bescheidenen Wohnbauten fortsetzen.

 

Entsprechend anspruchsloser waren die Behausungen der Tagelöhner und Fabrikarbeiters soweit letztere noch im Dorf lebten. Wohlsituierte Handwerker, Angestellte und Beamte wohnten dagegen in ansehnlichen meist zweigeschossigen Einfamilienhäuser mit Vor - bzw. Hausgärten, wie sie z. B. in Gunsleben im Zick-Zack und der bahnhofsnahen Hauptstraße anzutreffen sind. Nicht umsonst trägt der Zick-Zack die scherzhafte Bezeichnung "Millionenviertel". Die schmucken Siedlungshäuser im unteren Verlauf der Hauptstraße waren ursprünglich um 1923 für die Beamten der Reichsbahn erbaut worden.

 

Schnitterkasernen für Erntehelfer

Einfachsten Ansprüchen dagegen genügten jene als "Schnitterkasernen"' bezeichneten Eingeschosser, die zur Erntezeit die zumeist aus Polen oder dem Eichsfeld kommenden Erntehelfern, die "Schnitter" beherbergten. Derartige primitive Kasernen bestanden in Gunsleben einmal an der Hauptstraße zwischen den Gehöften Richard Heines und Jochen Schraders sowie zwischen Oberer und Unterer Bergstraße vor deren Einmündung in den Zick-Zack. Auch alleinstehende, finanzschwache Personen hausten in zumeist primitiven Unterkünften. Der einstige Witwenhof ist dafür in Gunsleben ein zutreffendes Beispiel.

 

 

Soziale Unterschiede durch Standortwahl

Auch in der Standortwahl der Wohnstätten kommen soziale Unterschiede zum Ausdruck. So war die Hauptstraße bevorzugte Ansiedlungsmagistrale für wohlhabende Bauern wie W. Strube, K. Wrede, O. Günther, R. Heine, ? Berkling und vormals Robert Heine sowie E. Mosel. Die Gehöfte von Günsche und Bookmann in der Oberen Bergstraße bilden bei dieser bäuerlichen Standortwahl ebenso eine Ausnahme wie R. Mosel am Fasanenberg.

Mittelbäuerliche Gehöfte hatten mit Ausnahme W. Miehes (Hauptstraße) ihren Standort an Nebenstraßen wie A. Miehe (Üpling), R. Heyer (Obere Bergstraße), B. Topka (Zick-Zack), F."Apostel" Jakobs (Fasanenberg) und F. Uehr (außerorts in der ehemaligen Wassermühle).

 

 

Zu- und Abwanderung

In seiner Gesamtheit unterlag das Ortsbild in Widerspiegelung gesellschaftlicher Ereignisse ständigen Veränderungen, ausgedrückt in Wohnhaus-Leerständen, deren allmählichem Verfall und Abrissen einerseits, Neu- und Umbauten andererseits. Der Ausnutzung auch letzter Wohnraummöglichkeiten zur Zeit während und nach dem 2. Weltkrieg, verursacht durch den Zustrom von Evakuierten, Flüchtlingen und Vertriebenen stand jene Entwicklungsphase gegenüber, die durch Abwanderungen und geburtenschwache Jahrgänge gekennzeichnet war und sinkenden Wohnraumbedarf zur Folge hatte. Leerstände, Verfall und Abrisse schlossen sich an und hinterließen ihre Spuren im Ortsbild. Nach der Wiedervereinigung reduzierte sich allerdings die Zahl der Abrisse. Einmal waren Häuser zeitweise auf dem Wohnungsmarkt billig zu erwerben, andererseits wurde Wohnraum sozialschwachen jungen Bürgern zugewiesen.

 

 

Überschaubares Neubauprogramm

Während in anderen Gemeinden ganze Neubau-Viertel entstanden, blieb die Zahl der Neu- und Umbauten in Gunsleben relativ gering. Nach dem 2. Weltkrieg wurden Neubauten errichtet an der Hauptstraße (Bauer, Wendland, Weigelt), am Bahnhof (W. Götze, M. Götze), auf dem Amt (Kasper, Schulz, Kohrs, Martin), im Üpling (A. Gäbel) und an der Backtwete (Rössing).

Umbauten von Scheunen in Wohnhäuser (Rössing, Untere Bergstraße) sowie Ausbau von Scheunenteilen (Albrecht, Gehöft vormals W. Strube) komplettieren das Neubauprogramm.

Verändernd wirkten auch die recht zahlreichen Modernisierungen. So wurden Altbauten mit wärmedämmenden Styropor-Modulen umgeben und danach vollständig verputzt (Rössing, Obere Bergstraße).

 

 

Verputzte Häuserfronten

Ganze Häuserfronten verschwanden samt ihres Fachwerks unter Rau- oder Glattputz (Schmidt, Hauptstraße, Krausmann/Dombrowski, Fasanenberg) Buller, Zick-Zack, U. Großmann, Zick-Zack u.a.), um danach mit wetterbeständigen Farbanstrichen überdeckt zu werden. Hierbei dominierten helle und freundliche Farben. Auch der Einbau neuer "Berliner" Fenster gab Häuserfronten ein neues Aussehen, ebenso der Abbau traditioneller Fensterläden zugunsten von Rollos. Hauseingänge verschwanden hinter windabweisenden Vorbauten, die Gefache von Fachwerkbauten, wurden nicht nur neu ausgefüllt, sondern auch überfärbt. Viele Häuser erfuhren eine Neueindeckung mit optisch ansprechenden Dachziegeln, entweder aus Ton oder aus Zement glasiert oder unglasiert. Den Anbau eines Neubaus an einen bestehenden Altbau nahm F. Langer in der Unteren Bergstraße vor, ebenso die Aufstockung des bereits erwähnten Altbaus in der Oberen Bergstraße.

 

 

Wellasbest zu DDR-Zeiten

Hausverschönerungen wurden zu DDR-Zeiten oftmals mit Asbest-Materialien vorgenommen. Über deren gesundheitsschädigende Eigenschaften war man damals nicht ausreichend informiert. Mit quadratisch geformten Asbest-Schindeln wurden sowohl Straßen- als auch Giebelfronten vollständig verkleidet. Kleinformatige Asbest-Schindeln fanden zur Fensterumrahmung Verwendung. (Grundstücke Wacker, Zick-Zack und W. Miehe, Hauptstraße).

Ganze Häusergiebel, zumeist die Wetterseite, verschwanden hinter schnell zu verlegenden extrem großformatigen Asbestplatten (Grundstück T. Braukmann, Obere Bergstraße). Auch Dächer wurden mit Wellasbest eingedeckt (Grundstücke Pastorenscheune. Untere Bergstraße, J. Schrader, Hauptstraß, Weber, Untere Bergstraße, A. Krausmann. Hauptstraße). Vielfach wurden diese Wellasbest-Eindeckungen zugunsten Dachziegeleindeckungen wieder entfernt. Verblieben sind die Wellasbest-Dächer der Pastorenscheune und des Grundstücks A. Klusmann, vormals P. Tondera.

 

Auffällige Rekonstruktionen

Gegenwärtig (um 2015) wurden großflächige Hauswand-Verkleidungen mit gesundheitlich unproblematischen und optisch ansprechenden Materialien vorgenommen wie z.B. die Südseite des Grundstücks M. Koch, Obere Bergstraße, ehemalige "Beese"-Schule oder die Wetterseite des Grundstücks Gudurat, Zick-Zack, vormals Topka bzw. Krausmann.

Auffällige Rekonstruktionen (Um- und Ausbauten) erfolgten durch D. Domeier im "Bahnerhaus" und im Haus Hauptstraße Nr. 2. Zu den Schmuckstücken Gunslebens gehört auch das von D. Domeier erworbene Grundstück (vormals C. Klietz, Getreidehandel). Dieses Objekt präsentiert sich in seiner Gesamtheit von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden als optisch überaus beeindruckend. Hochmodern zeigen sich auch die Innenausstattungen des "Bahnerhauses" und des Grundstückes Hauptstraße 2, die Gärten eingeschlossen.

 

 

Saniertes Dorfgemeinschaftshaus

Zu den auffällig rekonstruktionierten Gebäuden zählen weiterhin das Dorfgemeinschaftshaus, das ehemalige Pfarrhaus und das Bahnhofsgebäude inklusive des umgebenden Bahnhofsgeländes. Während der Um- und Ausbau des Dorfgemeinschaftshauses bereits abgeschlossen wurde, dauern die Rekonstruktionsmaßnahmen an Pfarrhaus und Bahnhofsgebäude noch an. Das Dorfgemeinschaftshaus wurde mit EG-Mitteln saniert. In diesem Gebäude gefallen der geschmackvoll gestaltete Versammlungsraum und die behindertengerechte Eingangsgestaltung. Neue Fenster und eine die Fachwerkkonstruktion hervorhebende wetterfeste Farbgebung vervollständigen den positiven Gesamteindruck. Der Versammlungsraum mit angeschlossenem Küchen- und Sanitärtrakt kann auch zu Familienfeiern und anderen Veranstaltungen gemietet werden.

 

 

"Wiedergeburt" des Pfarrhauses

Das unter Denkmalsschutz stehende ehemalige Pfarrhaus, an der Hauptstraße gelegen und von Familie Grüßner erworben. erlebt gegenwärtig die Wiedergeburt seines ursprünglichen Aussehens. Das gesamte Objekt, ein Fachwerkbau, war einst mit Rauputz versehen worden. Dieser war im Laufe der Zeit rissig geworden und bröckelte bzw. platzte an manchen Stellen derart ab, dass das Gebäude unansehnlich wurde. Auch die Innenausstattung genügte nicht mehr den Anforderungen, was sich u.a. in gerissenen und geneigten Fußbodenpartien zeigte. Dazu kam, dass die mit Dachziegeln verkleidete Wetterfront (Westgiebel) ebenfalls Schäden aufwies. Auch das sich im Haus befindende Trockenklo genügte keinesfalls hygienischen Ansprüchen. Vergrößert wurde die Reparaturbedürftigkeit durch Schäden an den Wirtschaftsgebäuden wie Stallungen und Scheunen. Die Neubesitzer begannen trotz des Ausmaßes der Schäden optimistisch mit der Rekonstruktion, erste Erfolge blieben nicht aus. So wurden die Fenster neu umrahmt, der Rauputz teilweise schon entfernt und die Fachwerkkonstruktion wieder sichtbar gemacht. Innen wurde optisch sichtbar mit der Modernisierung begonnen. Dennoch sind Ausdauer und Geduld der Neubesitzer auch weiterhin gefordert, von weiteren finanziellen Belastungen einmal abgesehen. Das Dach wurde inzwischen umgedeckt.

 

 

Bahnhof und Speicher in neuer Hand

Letztlich verdienen die Bemühungen des Neu-Gunstebers Karl-Friedrich Förster verdientermaßen eine Würdigung. Nach dem Speichergebäude begann er mit der Renovierung des Bahnhofsgebäudes mit seiner einmaligen das ganze Haus umgebenden Holzverschalung. Försters Wirken auch zum Wohle des Bahnhofsumfeldes ist bereits unübersehbar. So verschwanden wild wuchernder Baumbewuchs und Unkräuter aus dem Blickfeld. Insgesamt haben aus Richtung Aderstedt kommende Besucher dank des Wirkens von D. Domeier und K. Förster vorerst einen positiven Eindruck von Gunsleben. Dass noch viel zu tun ist, beweisen manche Objekte im Dorfinneren, deren Zustand bedauernswert ist. Die Zahl der Hauseigentümer, die sich ihrer Verantwortung hinsichtlich der Dorf- und Hausgestaltung bewusst sind ist jedoch im Wachsen begriffen. Zu diesen Bürgern zählt auch Frank Langer, der nicht nur das alte Wohnhaus an der Oberen Bergstraße unter Beachtung fachwerklicher Gestaltungselemente optisch und baulich gelungen aufstockte, sondern an eben dieses alte Grundstück rechtwinklig einen ansprechenden Neubau anschloss.

 

 

Einfache Typisierung

Eine genauere Betrachtung der Häuser Gunslebens lässt eine Typisierung einfachster Art zu. In Widerspiegelung der historisch erfolgten Gesamtentwicklung des Ortsbildes lassen sich unterscheiden a) die älteren in traditioneller Bauweise errichteten Fachwerkhäuser, b) die jüngeren und sehr vielgestaltigen Massivhausbauten und c) Bauten in Kombination von Massivbau im Untergeschoss und Fachwerkbauten im Obergeschoss.

 

 

Niedersächsischer Fachwerkbaustil

Gunslebens Fachwerkhäuser sind dem niedersächsischen Fachwerkbaustil nachempfunden. Sie sind allerdings einfacher gestaltet. So fehlen die Überkragungen höherer Stockwerke über untere, die reich verzierten Balkenköpfe und die kunstvollen Schnitzereien von Halb- und Vollkassetten. Diese prinzipiell einfachere Gestaltungsweise könnte mit den oftmaligen Zerstörungen des Dorfes und dem nachfolgenden Wiederaufbau erklärt werden. Letzterer musste möglichst schnell und preiswert erfolgen. Inwieweit die räumlich zunehmende Entfernung vom Ursprungsland bei der Ausdünnung traditioneller typischer Gestaltungselemente eine Rolle spielte, soll hier nicht näher erörtert werden.

 

 

Windabweisende Vorbauten

Entlang der Hauptstraße wurden die Häuser so errichtet, dass ihre Längsfronten parallel zur Straße stehen. Der Hauseingang, über eine zwei- bis dreistufige Treppe erreichbar, wurde mutig in die Längsfront eingebaut, manchmal auch giebelseitig. Im Zick-Zack zeigen die ziegelverkleideten Giebelfronten zur Straße, das Haus wird über den Hof betreten, weil der Eingang wie zuvor längsseitig eingebaut wurde. Vielfach wurden die Hauseingänge mit windabweisenden Vorbauten verbunden. Die Häuserfronten wurden durch Fenstereinlassungen unterbrochen, die Fenster selbst konnten mit farblich unterschiedlich gestalteten Fensterläden abgedunkelt werden.

 

 

Fachliches zum Fachwerkbau

Beim Fachwerkbau bildet ein ebenerdiges hölzernes Balkenviereck, auf Steinen errichtet, die Basis. Unterkellerungen fehlten zumeist, Speichermöglichkeiten boten Wirtschaftsgebäude. Auf den sogenannten Fußschwellen wurden senkrecht stehende Pfosten (Stiele, Ständer) eingezapft, die nach oben in regelmäßigen Abständen durch eingezapfte Querbalken verbunden wurden, so dass die Gefache entstanden. Fensterbereiche wurden gesondert eingebaut. Im Eckbereich Giebelfront - Längsfront sicherten schräg eingezapfte Balken die notwendige Stabilität. Die so entstandenen Gefache wurden ursprünglich schichtweise mit einem Lehm-Stroh-Gemisch verfüllt, das dann aushärtete. Diese älteste Gefachausfüllung wurde später durch die Verstakung abgelöst. Bei dieser wurden senkrecht zu den Querbalken verlaufende Holzstäbe eingebracht. Diese wiederum wurden mit dünnen zum Querbalken parallel verlaufenden Ruten durchflochten.

 

 

Das so entstandene Geflecht wurde anschließend mit dem Lehm-Stroh-Gemisch verfüllt, das geglättet wurde. Nach der notwendigen Aushärtung wurden die Gefache entweder in ihrem Urzustand gelassen oder mit zumeist hellen und wetterbeständigen Farben überdeckt. Im weiteren Verlauf der Fachwerksgeschichte wurden die Gefache mit Mauersteinen (Größe 6 x 12 x 24 cm) verfüllt und farblich bedeckt, vielfach verblieb es allerdings bei der roten oder grauen Mauersteinausfüllung. Bisweilen gestaltete man mit bzw. aus den Mauersteinen in den Gefachen kunstvolle Figurenmuster und/oder Ornamente. Ein gelungenes Beispiel derartiger Verzierungen bot einst der inzwischen abgerissene Taubenturm auf dem Hof der ehemaligen Wassermühle.

 

 

Zeit des Überputzens

Nach der so dargestellten Gefachausfüllung kam die Zeit des Überputzens. Verwendung fanden Glatt- oder Rauputz, mit deren Hilfe die Gesamtfront vereinheitlicht wurde, je nach Interesse erfolgte auch hier eine farbliche Überdeckung. Zunehmend gingen die Hausbesitzer dazu über, die Gesamtfront mit Putz zu überdecken. Zumeist war zuvor wärmedämmendes Material auf die Hauswand aufgetragen worden. So verschwanden die Fachwerke unter einer einheitlich gefärbten Putz- bzw. Deckschicht, was eine gewisse Eintönigkeit zur Folge hatte. Das vorherige Zusammenspiel zwischen den braunen Holzbalken, den hell getönten Gefachen und den sich farblich abhebenden Fensterflügeln gehörte so der Vergangenheit an.

 

 

Optimierung des Ortsbildes

Beispiele derart mit Putz überdeckter Mauerwände, auch Massivbauten waren davon betroffen, gibt es in Gunsleben genug. Für Fachwerkbauten seien die Grundstücke E. Schmidt, Hauptstraße und F. Bassüner, Obere Bergstraße, angeführt, für Massivbauten die von Buller (Zick-Zack) und Krausmann/Dobrowski (Fasanehberg). Um die alte Fachwerkkonstruktion wieder sichtbar zu machen, gehen Hauseigentümer zunehmend dazu über, den Deckputz wieder zu entfernen. Hier sei auf das Pfarrhaus und das asseburgsche Herrenhaus verwiesen. Derartige Maßnahmen tragen auf jeden Fall zur Optimierung des gesamten Ortsbildes bei, welches ansonsten unter dem Putzeinerlei Schaden zu nehmen drohte. Um dieses Verputzen zu erleichtern, wurden zum Nachteil der historischen Gestaltungsweise oftmals die traditionell mit dem Ruten-Lehm-Strohgeflecht verfüllten Gefache neu mit Mauersteinen verfüllt, zum Teil übermalt, zum Teil auch nicht. Verschwunden sind oft auch die ursprünglichen Fenster mit ihren farbigen Fensterläden zugunsten breiter "Berliner" Fenster mit Rolloverschlüssen.

 

 

Fäulnisprozesse im Fachwerkbau

Ein Problem machte einigen Fachwerkhaus-Besitzern bereits zu schaffen: die besonders für Fäulnisprozesse anfälligen waagerecht liegenden Basisbalken mussten zeit- und arbeitsaufwendig ausgewechselt werden. Das betraf in Gunsleben das Kuhhirten-Haus, die ehemalige Bäckerei Bögelsack in der Backtwete und das Thormeyersche Grundstück im ZickZack. Zusammenfassend lassen sich bei den Fachwerkbauten unterscheiden a) die mit einem Lehm-Stroh-Gemisch verfüllten Gefache, b) die verstakten und mit einem Lehm-Stroh-Gemisch verfüllten Gefache und c) die mit Mauersteinen verfüllten Gefache. Für alle Gefache bestand die Möglichkeit sie mit Putz zu verkleiden oder sie in ihrem ursprünglichen Zustand zu belassen. Gleiches gilt für die Überdeckungen mit wetterbeständigen Farben.

 

 

Optisch ansehnliche Hartklinker

Zur zweiten Häusergruppe gehören die aus gebrannten Mauersteinen errichteten ein- oder zweigeschossigen Massivbauten. Als Baumaterial dienten rote oder hellgraue Mauersteine, darunter auch die besonders widerständigen Hartklinker. Hartklinker sind optisch ansehnlicher, witterungsbeständiger und teurer. Sie verlangen eine besondere Art der Verfugung. Hartklinker-Bauten dokumentieren aber auch einen gewissen Wohlstand des Bauherren. In Gunsleben wurden mit Hartklinkern errichtet die Wohnhäuser von W. Schmidtke, M. Bock (ehemals W. Strube), Paupitz (ehemals Lellau, Hauptstraße), S. Röthig (ehemalige Kaiser-Villa, Hauptstraße), H. G. Heine (Hauptstraße) und D. Buchholz (Untere Bergstraße). Die übrigen Massivhausbauten wurden aus preiswerteren normalen Mauersteinen errichtet, z. B. die von R. Großmann/M. Lindenthal (vormals Kaufhaus, Friseur-Salon in der Unteren Bergstraße) oder von M. Buller (vormals Bäckerei Borchardt, Zick-Zack).

 

 

Einfache Dachkonstruktionen

Oftmals wurden die Fensteröffnungen mit Faschen umgeben. Ob diese Massivbauten verputzt wurden oder unverputzt blieben, bedarf einer genaueren Betrachtung. Die Dächer sowohl der Fachwerk- als auch der Massivbauten sind einfach konstruiert. Sie bestehen aus geneigten Flächen, die sich im First treffen und über den Längswänden auslaufen. Krüppelwalmdächer mit zusätzlichen Neigungen zu den Giebelfronten gibt es in der Minderzahl auch, z.B. im Falle des Grundstückes von D. Buchholz, Untere Bergstraße. Die Zahl der mit glasierten oder nicht glasierten Ziegeln neu eingedeckten Häuser wird zum Vorteil des Ortsbildes größer, die Zahl der aus der DDR-Zeit stammenden einfachen grauen Zementziegeln geringer. Gleiches gilt wie erwähnt für Wellasbest-Eindeckungen.

 

 

Fachwerk auf massivem Untergeschoss

Die Kombinationsbauten als dritte Häusergruppe kennzeichnen den Übergang von der reinen Fachwerkbauweise zum Massivhausbau. Sie sind jünger als die Fachwerkbauten, jedoch älter als die Massivhausbauten. Aus Stabilitätsgründen wurde das Untergeschoss aus gebrannten Mauersteinen massiv errichtet. Diesem Untergeschoss sitzt die Fachwerkkonstruktion des Obergeschosses auf. Als gelungene Beispiel dafür mögen die Grundstücke W. Heine, Untere Bergstraße und D. Kasper, Hauptstraße, dienen. Zahlenmäßig überwiegen in Gunsleben die reinen Fachwerkbauten, gefolgt von den Kombinationsbauten. Massivhausbauten sind in der Minderheit, ihre Anzahl dürfte jedoch im Falle von Neubauten zukünftig zunehmen. Demgegenüber werden reine Fachwerkbauten und Kombinationsbauten nach und nach aus dem Ortsbild verschwinden. Diese Entwicklung ist ihrem Veralten geschuldet.